Gerade in der Pandemie sind Hospizhelfer wie Christine Strunz besonders gefragt
Von Angela Boschert, Ottobrunn
Sterben gehört zum Leben eines jeden Menschen, doch: „Man soll nicht alleine sterben müssen“, sagt Christine Strunz, „daher begleite ich Menschen an ihrem Lebensende.“ Ehrenamtliche Hospizarbeit ist besonders in der Corona-Pandemie wichtig, wird aber auch zu einer besonderen Herausforderung.
Jede und jeder, der eine Hospiz- oder auch eine Trauerbegleitung wünscht, muss sich zunächst an eine entsprechende Einrichtung wenden, wo speziell ausgebildete Hospiz- und Palliativkräfte oft schon bei einem ersten Telefonat klären können, welche Art der Unterstützung gewünscht wird. Sie suchen einen passenden Hospizbegleiter wie Christine Strunz, 54, die für den Hospizkreis Ottobrunn ehrenamtlich tätig ist. Sie will nicht dem Leben der Betroffenen mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben und Momente der Erleichterung bereiten. „Zuhören, da sein und auf das reagieren, wessen die Menschen bedürfen“, fasst es Strunz zusammen, die dazu nach Aying ebenso fährt wie nach Neubiberg oder den weiteren fünf Gemeinden, die der Hospizkreis betreut. Denn es seien oft ganz kleine Dinge, die Betroffenen ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern: etwa wenn sie ein Kissen zurechtrückt, bestimmte Musik auflegt, ihnen vorliest oder ihre Hand hält.
Hospizarbeit ist keine Pflegetätigkeit. Hospiz- und Palliativ-Fachkräfte dürfen keine Pflegeaufgaben übernehmen, selbst wenn sie dafür ausgebildet wären. Ihre Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass ein Betroffener – gemeint ist jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Stellung – das Ende in Würde und Selbstbestimmung begehen kann. Er soll selbst bestimmen, was er benötigt. Ziel ist, die Lebensqualität für die Betroffenen zu verbessern sowie ihre seelischen Nöte und Leiden zu lindern.
„Die Menschen sind uns gegenüber ganz, ganz offen“, erlebt Strunz staunend, doch sie behält das alles für sich, denn Hospizbegleiter unterliegen dem Schweigegebot. Hospizbegleitung „ist eine persönliche Sache“, sagt Strunz, die ihre Ausbildung beim HKO im Dezember 2018 abgeschlossenen hat. Seitdem hat sie bereits sieben Sterbende begleitet und hat es nicht bereut, obgleich ihre Verwandten zunächst erschrocken reagierten. Sie betreue auch eine Person, die wegen ihrer Behinderung nicht verstehen könne, dass Umarmungen momentan nicht möglich sind. Es sei schwer, „sie nicht besuchen und so begleiten zu können, wie ich möchte, denn wir lachen auch gerne miteinander“. Doch die Sicherheit für alle Beteiligten gehe immer vor.
Ja, man sei als Hospizbegleiterin natürlich auch emotional eingebunden, sagt Strunz. Man komme in eine familiäre Situation, versetze sich in die Lage der Besuchten, versuche einfühlsam zu sein. Das danach von sich abzutrennen, sei nötig und gelinge ihr gut, so Strunz. Betroffene brauchten jemanden zum Anlehnen und deren Angehörige auch, oft sogar noch viel mehr als die Sterbenden selbst. Sie versuche zu tun, was gerade nötig ist. Auch als sich zum ersten Mal in ihrer Gegenwart das Lebensende einer alten Dame näherte, habe sie die anwesende Tochter und Enkelin beruhigen können. Als die zwei Frauen sich mit Strunz‘ Unterstützung auf die Situation einlassen konnten, habe sie gemerkt, dass die alte Dame loslassen konnte und lächelnd starb. „Das war irgendwie magisch und wie eine Art Zauber“, schildert Strunz die Tiefe des Moments.
Auf diese und viele andere Situationen seien sie umfassend vorbereitet worden und das Ottobrunner Team sei jederzeit für sie da. „Ich habe über und für mich ganz viel bei der Hospizbegleiter-Ausbildung gelernt“, sagt die lebenslustige Höhenkirchnerin. „Jemanden am Lebensende begleiten zu dürfen, ist besonders wichtig für Angehörige, die nicht dabei sein können.“ Gerade jetzt in der Pandemie. Oft bringt den Hilfesuchenden schon ein Telefonat Trost. Die verschiedenen Hospizvereine sind auch für die Hinterbliebenen da, beraten und helfen.
Süddeutsche Zeitung vom 05.April 2021